Lead Times

Die weltweit agierende Olympus Corporation produziert Medizintechnik sowie technische Ausrüstung für Wissenschaft und Industrie. Zu ihren Produkten zählen beispielsweise Mikroskope, Endoskope oder Operationsbestecke. Der Transport der empfindlichen Objekte ist anspruchsvoll, daher machen Logistikkosten 25 bis 30 Prozent des gesamten Indirect Spend aus. Wir fragten Henning Körner, Global Strategic Lead Buyer Supply Chain Management am Hamburger Sitz von OIympus, worauf es ihm im Logistikmanagement besonders ankommt.

Inwiefern hat die Coronapandemie die Lieferketten von Olympus beeinflusst?

Wir haben erhebliche Preissteigerungen akzeptieren müssen: Luftfracht wurde um 55 Prozent teurer, Seefracht um 30 Prozent. Gleichzeitig sank die Zuverlässigkeit. Auf Luftfracht warten wir heute bis zu zwei Tage länger, bei Seefracht sind es im Schnitt sogar sieben Tage.

Wie wird sich die Lage Ihrer Meinung nach entwickeln?

Wir hoffen, dass sich die Situation bis Ende des Jahres nor-malisiert. Allerdings ist es ein schwieriger Kreislauf: Solange die Airlines ihre Kapazitäten nicht aufstocken, werden die Preise hoch bleiben. Mehr Flugverkehr geht aber erst, wenn die Pandemie weltweit einigermaßen beherrschbar ist. Generell glaube ich nicht, dass das Passagieraufkommen schnell wieder auf das Vorkrisenniveau zurückkehrt. Wahrscheinlich wird das nicht vor 2024 der Fall sein. Bis dahin erleben wir vielleicht ein langsames Sinken der Frachtpreise.

Und die Zuverlässigkeit?

Auch hier werden die Probleme durch einen Mangel an Kapazitäten verursacht, hinzu kommen die  pandemiebedingten Ungleichgewichte zwischen Asien und dem Rest der Welt. Folglich erwarte ich die  Rückkehr zu zuverlässigen Lieferterminen auch erst gegen Jahresende.

Hat die Pandemie Ihre Logistikstrategie verändert?

Kurze Lead Times waren und sind uns wichtig, denn sie bedeuten geringere Kapitalbindung. Jeder Tag mehr oder weniger macht bei unseren hochwertigen Produkten einen enormen Unterschied. Aber vor Corona waren Frachtmittel und -routen eingespielt und zuverlässig. So brauchten wir uns wenig Gedanken über die Lead Times zu machen und konnten unseren Fokus in der Logistik auf Geschwindigkeit und Qualität legen. Das hat sich deutlich geändert. Inzwischen arbeiten wir mit einer Matrix, die Kapital- und Frachtkosten und Lead Times gleichermaßen berücksichtigt und bei Bedarf zwischen Luft- und Seefracht wechselt. Das werden wir auch beibehalten, denn durch den Klimawandel bedingte zunehmende Extremwetterlagen und den Bau immer größerer Schiffe, die anfälliger für Havarien sind, muss man davon ausgehen, dass die ungeplanten Verzögerungen weiter zunehmen werden.

Sie verändern also die bisherigen Anteile der Frachtmittel?

Vor der Pandemie machte Luftfracht im Inbound-Transport 75 Prozent aus, Seefracht zehn Prozent, die restlichen 15 Prozent waren Straßentransporte. Künftig wollen wir für die interkontinentale Fracht den  Seetransport auf bis zu 60 Prozent zum „Swimming Inventory“ ausbauen, um Logistik- und Lagerkosten  zu sparen. Wann wir das erreichen, ist davon abhängig, wann sich die Lage auf den Seerouten wieder  stabilisiert. Denn Termintreue ist noch wichtiger als kurze Lead Times. Zurzeit ist die auf dem Seeweg  leider nicht gewährleistet.

Ausprobiert haben wir den Bahnverkehr über die neue Seidenstraße und auch Hybridmodelle wie eine  Kombination von Flug und See, doch diese Konzepte sind für unsere Produkte nicht geeignet. Die Geräte sind sehr empfindlich, jeder Warenumschlag birgt daher ein Risiko für Beschädigungen. Das Risiko von  Transportschäden zu minimieren, hat für uns höchste Priorität. Deswegen formulieren wir in  Ausschreibungen hohe Anforderungen und haben ein anspruchsvolles Onboarding für neue Dienstleister.

Wären da nicht Local for Local Produktion und Nearshoring geeignete Lösungen?

Das halte ich für schwierig, weil unsere Werke sehr spezialisiert sind. Für Local for Local und  Nearshoring müssten letztlich an allen Standorten die gleichen Kompetenzen vorhanden sein. Das ist nicht effizient.

Wie wollen Sie die Logistik von Olympus in den kommenden Jahren weiterentwickeln?

Das steht bei uns unter dem Motto End2End Supply Chain und bezieht sich einerseits auf die Weiterentwicklung der Digitalisierung sowie andererseits auf eine intensivere vertikale Integration der  Dienstleister. So steuern wir hier in Europa zum Beispiel unsere Transporte nicht mehr zu 100 Prozent  selbst, sondern haben die Tätigkeiten im Rahmen einer 4PL Lösung unserem Lagerdienstleister  übergeben. Dadurch haben wir nur noch eine Schnittstelle zum Dienstleister, das reduziert die  Komplexität für uns erheblich.

Mit der Digitalisierung wollen wir eine möglichst vollständige Transparenz erreichen, um Risiken im  Blick zu haben und immer zu wissen, wo sich unsere Produkte befinden. Damit sind wir auch jederzeit  auskunftsfähig gegenüber unseren Kunden. Dazu wurden jetzt geeignete Schnittstellen geschaffen, um  auch die Kunden in die Supply Chain einzubinden. Das Langfristziel ist ein Live Tracking der Lieferkette  vom Rohstoff bis zur Lieferung an den Kunden, inklusive der Einbindung unseres Servicegeschäfts der  Leihgeräte und Reparaturen. Wir wollen damit auch die Prozesse rund um Service und Reparaturen  möglichst effizient gestalten, um Ausfallzeiten gering zu halten. Hierzu sind wir gerade in der  Ideenfindung, wie ein Control Tower gestaltet sein muss und mit welchen Dashboards wir die Flüsse von  Waren und Daten am besten steuern können. Die sukzessive Umsetzung planen wir für die kommenden zwei Jahre.