Lieferkettengesetz

Klare Verhältnisse

 

Das Klima und die Umwelt schützen, Ausbeutung und Kinderarbeit verhindern: In der Theorie selbstverständlich, doch bis heute wissen längst nicht alle Unternehmen, was in ihren Lieferketten tatsächlich passiert. Mit dem Lieferkettengesetz ergibt sich die Chance, endlich Klarheit und verbindliche Regeln zu schaffen. Einige Länder – unter ihnen Deutschland – haben bereits Gesetze vorgelegt. Jetzt zieht die EU nach.

Die deutsche Wirtschaft spaltet sich zurzeit in zwei Lager: Diejenigen, die durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zusätzliche Belastungen befürchten, weil sie mit zusätzlicher  Bürokratie und weiteren Pflichten rechnen, und diejenigen, die es als Chance begreifen. Wir stehen auf der Seite derer, die gerade in der aktuell sehr komplexen und herausfordernden  wirtschaftlichen Lage positive Auswirkungen des Gesetzes erwarten.

Vorteile sehen wir insbesondere darin, dass Unternehmen ihr Risikomanagement breiter aufstellen, um den Anforderungen aus dem LkSG gerecht zu werden. Ein professionelles und strategisches Risikomanagement ermöglicht höhere Resilienz und agileres Handeln, wenn Risiken eintreten. Daraus können Unternehmen eine verbesserte Wertschöpfung und  Wettbewerbsfähigkeit generieren.

Hat ihr Unternehmen Transparenz über die Lieferketten?

Um die gesetzlichen Vorgaben zu implementieren, empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen, das im eigenen Unternehmen beginnt. Prüfen Sie, welche Vorgaben Sie bereits erfüllen, etwa  durch eine Nachhaltigkeitsagenda oder Compliance-Regelungen. Sind diese Vorgaben stringent im Unternehmen umgesetzt, vor allem in der Beschaffungsstrategie und im  Risikomanagement? Wir erleben leider häufig, dass es zwar Ziele und Statements gibt, diese aber nicht auf die einzelnen Abteilungen heruntergebrochen werden. Training und Fortbildung,  aber auch Incentivierung sind in diesem Zusammenhang wichtig, um die Mitarbeitenden zu befähigen, das Lieferkettengesetz zu erfüllen.

Sind die internen Voraussetzungen geklärt, gibt das Gesetz vor, zunächst eine Grundsatzerklärung, die die neuen Sorgfaltspflichten enthält, zu verabschieden. In einer Risikoanalyse sollten  dann mögliche Probleme identifiziert, kategorisiert und Gegenmaßnahmen definiert werden. Ist bereits ein strategisches Risikomanagement vorhanden, können die aktuellen Kriterien sehr  einfach um die gesetzlichen Vorgaben erweitert werden.

Um die gesetzlichen Vorgaben zu implementieren, empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen, das im eigenen Unternehmen beginnt.

Das deutsche Lieferkettengesetz

  • Gültigkeit: Ab 2023 für Unternehmen mit über 3.000 Mitarbeitenden, ab 2024 für Unternehmen mit über 1.000 Arbeitnehmer:innen.
  • Ziele: Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigung entlang der Lieferketten. Orientierung an den Nachhaltigkeitsprinzipien der Vereinten Nationen (UN).
  • Umfang: Grundsätzlich erstrecken sich die Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette, doch direkte Vereinbarungen und Kontrollen sind nur für die Tier-1-Lieferanten erforderlich. Für die nachgelagerte Lieferkette besteht eine Kontrollpflicht erst dann, wenn es konkrete Hinweise auf Verstöße gibt.
  • Strafen: Bei Verstößen kann es zu Bußgeldern oder Sanktionen, etwa Ausschluss aus öffentlichen Ausschreibungen geben. Haftung gegenüber Geschädigten ist nicht vorgesehen.

Bilden Sie ein interdisziplinäres Team!

Die Umsetzung des Lieferkettengesetzes ist eine Schnittstellenaufgabe, bei der auch die Unternehmenskommunikation und die Rechtsabteilung eingebunden sind. Denn: Das Gesetz enthält neben  den Vorgaben zu den Lieferketten auch die Verpflichtung, die Öffentlichkeit über Risiken und Lösungen zu informieren sowie eine öffentliche Beschwerdestelle einzurichten. Eine Task  Force, die sich um die Implementierung des Gesetzes kümmert und den internen Kommunikationsfluss managt, sollte daher interdisziplinär besetzt sein. Zum adäquaten Risikomanagement für das LkSG gehört, dass Gegenmaßnahmen priorisiert werden müssen:

  • Ist der Verstoß so gravierend, dass die Zusammenarbeit sofort beendet werden sollte?
  • Und welche Lösungsmöglichkeiten gibt es?

Es liegt auf der Hand, dass hierfür die Notfallpläne und Gegenmaßnahmen detaillierter ausgeplant und aktiver kommuniziert werden müssen als vor dem Gesetz.

Sprechen Sie mit Ihren Lieferanten!

Der nächste Schritt bei der Implementierung des LkSG ist die Ansprache der Lieferanten. Auch hier gilt: Setzen Sie dort an, wo Sie stehen! Erweitern Sie bestehende Audits oder Lastenhefte um  die gesetzlichen Kriterien und suchen Sie das Gespräch. Klären Sie, wo Ihre Lieferanten Risiken wahrnehmen und gleichen Sie dies mit Ihren Erkenntnissen ab. Definieren Sie mögliche Lösungen  und Gegenmaßnahmen für die nachgelagerte Lieferkette gemeinsam. Binden Sie bei Audits unabhängige Institutionen, zum Beispiel NGOs oder Prüfunternehmen, ein. Je nachdem, wie weit Sie  in der Entwicklung eigener Nachhaltigkeitsziele bereits fortgeschritten sind, haben wir drei Modelle mit unterschiedlicher Komplexität entwickelt, auf deren Basis Sie die Vorgaben des Lieferkettengesetzes umsetzen können.

Nachhaltigkeit und Mitarbeiter:innenrechte in der Praxis

Es gibt eine Reihe von Unternehmen, die bereits seit einigen Jahren Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen und kontinuierlich an Verbesserungen für die Mitarbeitenden ihrer  Lieferanten oder an der Umsetzung optimierter Umweltschutzmaßnahmen arbeiten. Von ihnen können diejenigen, die jetzt qua Gesetz verpflichtet werden, lernen. Wir möchten drei  Unternehmen verschiedener Größen und Geschäftsfelder exemplarisch vorstellen.

So zeigt der Textilhändler Takko zum Beispiel, dass die Realisierung von ESG-Kriterien in der eigenen Lieferkette selbst im unteren Preissegment möglich ist. Die Verantwortlichen des  Unternehmens betonen, dass eine günstige Produktion nicht durch unfaire Löhne oder gar Kinderarbeit erreichbar sei, sondern viel eher durch schlanke Prozesse, große Stückzahlen sowie  Effizienz im Design.

// Drei Modelle zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes

Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz

Ein Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz wurde Ende Februar im EU-Parlament vorgelegt. Es ist weitaus strenger als das Deutsche und gilt auch für mehr Unternehmen. Sollte es verabschiedet werden, wären alle EU-Länder verpflichtet, das Gesetz umzusetzen. Der Entwurf umfasst folgende Regelungen:

Gültigkeit

  • Betroffen sind EU-weit Unternehmen mit über 500 Mitarbeitenden und einem Umsatz von mindestens 150 Millionen Euro. In den als Risikobranchen identifizierten Sektoren Textil, Landwirtschaft und Bergbau gilt die Schwelle von 250 Mitarbeitenden und 40 Millionen Euro.

Ziele

  • Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigung entlang der Lieferketten. Zusätzlich sind Unternehmen verpflichtet, einen eigenen Klimafahrplan aufzustellen, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Umfang

  • Unternehmen sind für ihre gesamte Lieferkette verantwortlich, dies gilt jedoch nur für längerfristige Geschäftsbeziehungen, nicht für einmalige Bedarfe.

Strafen

  • Bußgelder und Sanktionen sind vorgesehen, aber noch nicht konkret beziffert. Darüber hinaus soll das Gesetz auch Haftung gegenüber direkt Betroffenen enthalten.

 

Der Einzelhändler Tegut wiederum setzt für seine Eigenmarken und für frische Produkte auf direkte und langjährige Lieferbeziehungen, um seinen Kund:innen biologische und fair gehandelte Lebensmittel zu verkaufen. Zudem bietet das Unternehmen mit dem „Herkunftscheck“ auf der Webseite maximale Transparenz. Dort werden zahlreiche Lieferanten mit einem individuellen Profil  vorgestellt.

Vielfach ausgezeichnet für sein Engagement in Sachen Umwelt und Arbeitnehmer:innenrechte wurde der Kosmetik-, Haushaltspflege- und Klebstoffhersteller Henkel. Das Unternehmen hat eine ambitionierte Agenda, die Geschlechterparität auf allen Führungsebenen bis 2025, einen CO2-positiven Fußabdruck bis 2030 so-wie den Übergang zur Kreislaufwirtschaft ebenfalls bis 2030  vorsieht. In den Lieferketten hat sich der Konsumgüterhersteller mit einer eigenen Initiative „100 Prozent Responsible Sourcing“ zum Ziel gesetzt.

 

 

FAZIT

Die Entwicklung zur LkSG-Konformität setzt immer im eigenen Unternehmen an. Je nach Reifegrad und bisherigen Aktivitäten im Hinblick auf Nachhaltigkeit sind unterschiedliche Maßnahmen nötig, um Risiken in der Lieferkette zu erkennen, zu gewichten und Lösungen zu entwickeln. Das LkSG ist kein deutscher Sonderweg. Ähnliche Gesetze gibt es bereits in anderen  Ländern und auch die EU plant ein solches Gesetz. Der aktuelle Entwurf sieht strengere Regeln vor als das deutsche Gesetz. Höchste Zeit also, sich mit dem Thema zu befassen. Viele  erfolgreiche Unternehmen leben bereits vor, dass Nachhaltigkeit und Profitabilität keine Gegensätze sind.

Autorinnen

Laura Steinhoff

ist Principal am Standort Hamburg. Sie betreut Kunden aus der Konsumgüterindustrie und dem Handel und ist Expertin für Fashion und Luxus.

laura.steinhoff@inverto.com

 

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