Anwendungsbeispiele für Digitalisierung im Einkauf
Einer der ersten Schritte bei der Digitalisierung des Einkaufs in vielen Unternehmen ist der Procure to Pay Prozess. Dazu werden Kataloglösungen eingeführt, Lieferanten über Plattformen eingebunden oder direkt ins ERP integriert und der Rechnungsprozess automatisiert. Dass dies erhebliche Verbesserungen im Prozess bringen kann, zeigt das Beispiel eines internationalen Flughafens, der ein Procure to Pay System einführte, um die internen Prozesse zu optimieren. Das System erhöhte durch die Automatisierung Transparenz sowie Effizienz, die Maverick Buying Rate sank um 30 Prozent. Ein papierloser Prozess vom Eingang der Rechnung bis zur Bezahlung war das Ziel eines anderen Unternehmens. Dadurch wurde die Bearbeitungszeit von Rechnungen um 80 Prozent verkürzt. Durch die automatische Inanspruchnahme von Skonti konnten darüber hinaus signifikante Einsparungen erzielt werden.
In diesem Bereich haben sich jedoch in der Vergangenheit bei vielen Unternehmen Insellösungen und Medienbrüche entwickelt. Sie erfordern manuelles Eingreifen, kosten dadurch Zeit, sind fehleranfällig und sollten deswegen in ein durchgängiges System überführt werden. Ferner haben sich viele Tools weiterentwickelt oder neue Anbieter sind am Markt erschienen, so dass die eigene Softwarelandschaft regelmäßig auf Verbesserungsmöglichkeiten geprüft werden sollte.
Advanced Analytics ist der Bereich, in dem der strategische Einkauf deutlich gestärkt werden kann und neue Potenziale erschlossen werden können. Anhand von individuell zugeschnittenen Cockpits und Analysen wird Transparenz über alle Ausgaben gewonnen. Mit Big Data Methoden können große Datenmengen untersucht und die Analysen dank Machine Learning kontinuierlich verfeinert werden. Berichte sind jederzeit verfügbar und bieten dem Einkauf einen standortübergreifenden Überblick.
Ein global agierendes Produktionsunternehmen mit Zentraleinkauf in Europa implementierte eine solche Lösung, um die Transparenz über die Ausgaben zu erhöhen. Dadurch konnte der Zentraleinkauf Einsparpotenziale identifizieren und die Umsetzung angestoßener Maßnahmen besser verfolgen. Im indirekten Einkauf wurde das Maverick Buying signifikant reduziert, weil die geschaffene Ausgabentransparenz eine kontinuierliche Übertragung von Kreditoren in die Verantwortung des Einkaufs ermöglichte.
e-Sourcing Accelerators erhöhen die Effizienz und Schlagkraft des Source-to-Contract Prozesses. Dazu zählen neben Tools zur Durchführung von Ausschreibungen auch eAuctions. In diesem Bereich sind viele Unternehmen bereits aktiv, oft ist die Nutzung der Tools aber nicht unternehmensweit ausgerollt oder sie ist auf einzelne Warengruppen beschränkt. Dadurch bleibt der Einsatz unter den Möglichkeiten, Ressourcen werden verschenkt. Richtig genutzt bieten diese Softwarelösungen einen strukturierten und standardisierten Prozess, der Bearbeitungszeiten deutlich verkürzt und die Ergebnisqualität erhöht, indem spieltheoretische Ansätze genutzt, Szenarien vorgerechnet und dem Einkäufer Vorschläge gemacht werden. Alle Dokumente können in einer Plattform gespeichert und anderen Stakeholdern zugänglich gemacht werden. e-Sourcing Accelerators können in eine bestehende ERP-Umgebung integriert werden oder als stand-alone Lösungen die Tool-Landschaft komplettieren.
Immer größere Verwendung im Einkauf finden Robotic Process Automation Lösungen (RPA) zur Automatisierung von manuellen Einkaufsprozessen. Sie entlasten Einkäufer:innen von zeitintensiven Routineaufgaben, indem sie wiederkehrende Aufgaben automatisiert nach vordefinierten Regeln ausführen. Mit RPA können Bearbeitungszeiten und -kosten massiv gesenkt werden. Ein Beispiel ist die automatische Bearbeitung von Ausschreibungen, bei denen Angebote auf Vollständigkeit und Konsistenz geprüft werden und die Lieferanten eine direkte Rückmeldung bekommen.
Eine vollständige Digitalisierung aller Prozesse im Einkauf gelingt nur, wenn auch die Lieferanten digital eingebunden werden. Deswegen sollten Unternehmen, die Digitalisierungsschritte einleiten oder fortsetzen wollen, nicht nur ihren eigenen Reifegrad analysieren, sondern auch den ihrer Lieferanten im Blick haben. Gerade Zulieferer in den hinteren Gliedern einer Kette agieren oft noch analog. Das gilt insbesondere für Industriezweige, in denen viele kleine Unternehmen mit wenig Kapital aktiv sind. Unternehmen in diesen Branchen sollten ihre Lieferanten auf dem Weg in die Digitalisierung beispielsweise durch technische oder finanzielle Hilfe unterstützen.