Magazin 11 : Interview mit Dr. Drik C. Gratzel zur nachhaltige Transformation

„Dieser Lebensstil fordert seinen Tribut an die Umwelt, den ich nicht länger tragen wollte.“

Dr. Dirk C. Gratzel hat sich als erster Mensch seine Ökobilanz bis auf den letzten Cent ausrechnen lassen und will seine Umweltkosten bis zu seinem Lebensende komplett auf Null bringen. Mit seinem Firmenverbund GREENZERO möchte er Unternehmen dazu bringen, es ihm nachzumachen. Im Interview spricht er über das Dilemma vom ökonomischen Erfolg durch Verschleiß der Umwelt – und wo Führungskräfte anfangen sollten mit der nachhaltigen Transformation.

 

 

Herr Gratzel, Sie haben sich Ihre eigene Ökobilanz ausrechnen lassen. Was kam dabei heraus?

Ich bin früher als Unternehmer viel gereist, insbesondere geflogen, und hatte einen opulenten Konsum und Lebensstil. Dieser Lebensstil forderte seinen Tribut an die Umwelt, den ich nicht länger tragen wollte. Daher habe ich mir zunächst meine persönliche, lebensbezogene Ökobilanz von den Wissenschaftler:innen der TU Berlin erstellen lassen. Zu ihr gehören CO2-Emissionen, aber auch andere ökologische Dimensionen wie Versauerung, Eutrophierung, Toxizität, Wasserfußabdruck und die stratosphärische Beeinträchtigung der Ozonschicht. Denn nur über die komplette Ökobilanz in sämtlichen Wirkungskategorien erhielt ich ein vollständiges Bild aller von mir zu verantwortenden Umweltschäden.

Um aber mal bei den CO2-Emissionen zu bleiben, weil die sehr greifbar sind: Ich verursachte in meinen bis dahin rund 50 Lebensjahren mehr als 1.100 Tonnen CO2 und somit ein Vielfaches von dem, was ein Mensch durchschnittlich verursachen sollte, wenn wir das 2-Grad-Ziel der Klimaerwärmung halten wollen. Das wären nämlich nur zwei Tonnen pro Mensch pro Jahr, bei mir waren es seinerzeit fast 28 Tonnen pro Jahr.

Was hat dieses Ergebnis mit Ihnen gemacht?

Ich wusste: Das darf so nicht weitergehen. Ich habe mit Umweltorganisationen wie dem NABU oder dem WWF diskutiert, wie ich meinen Fußabdruck verkleinern kann. Wir  haben 60 Maßnahmen gefunden, angefangen bei der Sanierung meines Hauses übers Zugfahren statt Fliegen, Konsumveränderungen und veganer Ernährung. Neue  Kleidung kaufe ich etwa seither nur noch, wenn ich sie wirklich benötige, Milchprodukte sind vom Speiseplan weitgehend verschwunden. So konnte ich meinen Fußabdruck  auf sechs bis sieben Tonnen Co2 pro Jahr reduzieren – gut, aber für eine ausgeglichene Umweltbilanz beileibe noch nicht gut genug. Also habe ich überlegt: Wie kann ich die sechs Tonnen je Jahr kompensieren – und wie die angehäuften Umweltkosten, die ich bis dato bereits verursacht hatte?

Das war komplex. Ich habe mir ausrechnen lassen,  wie hoch meine sogenannten Umweltkosten, also die in Geld bezifferten Umweltschäden meiner bisherigen Existenz sind. Für diese „Monetarisierung“ von Umweltwirkungen gibt es ein europäisches Verfahren, und dies zugrunde gelegt kam ich auf einen Gegenschaden von 350.000 Euro. So viel müsste ich – neben der Änderung meines  Lebensstils – in Renaturierung und Wiederaufbau der Umwelt stecken, um meinen Abdruck auf Null zu reduzieren. Ich habe also gemerkt: Der Schaden ist immens, und die Wiedergutmachung wird ziemlich teuer …

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