Fehlende Produktionskapazitäten und höhere Kosten in Europa
Dagegen spricht jedoch der Mangel von Produktionskapazitäten in Europa. Unternehmen, die es mit der Re-Regionalisierung der eigenen Lieferkette ernst meinen, müssen in vielen Fällen den Aufbau von Fertigungsstätten zunächst einmal unterstützen, bevor sie in größerem Maßstab auf dem eigenen Kontinent beschaffen können.
Zu den eingangs genannten Vorteilen einer regionalen Lieferbeziehung kommt die Tatsache, dass eine Steigerung der europäischen Produktion die europäische Wertschöpfung intensiviert und entsprechend neue Arbeitsplätze geschaffen. Gerade in der aktuellen Rezession, die möglicherweise noch viele Arbeitsplätze vernichten wird, könnte die Re-Regionalisierung von Lieferketten also Perspektiven schaffen.
Von der Hand zu weisen ist indes nicht, dass Fertigung in Europa zwar qualitativ hochwertige Produkte schafft, jedoch in der Regel teurer ist als in Asien – folglich sind in Europa gefertigte Waren meist teurer. Das wird sich nicht jede:r Konsument:in leisten können oder wollen. Daher wird „Made in China“ auch weiterhin ein integraler Bestandteil der Lieferketten vieler Unternehmen bleiben.
Um einen höheren Preis zu begründen, sollten Unternehmen konsequent Transparenz auch für die Konsumenten schaffen: Heute ist es zum Beispiel nicht verpflichtend, bei verarbeiteten Lebensmitteln die Herkunft der einzelnen Bestandteile oder Vorprodukte zu deklarieren. Folglich wissen die Käufer:innen nicht, dass etwa im Müsli die Mandeln aus Kalifornien stammen, der Honig aus Chile und die getrockneten Erdbeeren aus China. Dennoch kann auf dem Produkt „Made in Germany“ ausgelobt werden. Wer einen Mehrpreis für regionale Produkte verlangen möchte, muss dieses Bewusstsein erst einmal schaffen. Dass es funktioniert, zeigt der Erfolg von regional produziertem Obst und Gemüse, zu dem im Supermarkt mittlerweile viele Kunden greifen.
So gelingt die Rückkehr
Unternehmen, die ihre Lieferkette diversifizieren und regional beschaffen wollen, fangen mit einer Marktsondierung an: Welche Vorprodukte lassen sich in Europa beschaffen oder produzieren? Welche Kapazitäten sind vorhanden? Gibt es bislang zugekaufte Komponenten, für die sich der Aufbau einer eigenen Produktion lohnt (Make-or-Buy-Analyse)?
Ist eine regionale Produktion vorhanden, bietet sich eine strategische Partnerschaft an, um mit dem Lieferanten gemeinsam Qualitätsstandards und Innovationen zu entwickeln. Zugleich gibt die Verbindung dem Anbieter Sicherheit, um seinerseits zu investieren und bei Bedarf die Produktion zu erweitern.
Um eine Produktion überhaupt erst aufzubauen, bietet sich eine Kooperation mit Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Institutionen an. Sie können die Kompetenzen aufbauen, die für den Wiederaufbau verloren gegangenen oder noch gar nicht entwickelten Know-hows erforderlich sind.
Für einzelne Vorprodukte können auch Einkaufskooperationen mit Unternehmen, die ähnliche Bedarfe haben, eine sinnvolle Maßnahme sein. Sie würden aufstrebenden europäischen Unternehmer:innen und Investoren Umsatzmöglichkeiten schaffen und den Aufbau neuer oder weiterer Kapazitäten rechtfertigen.