Die Zeiten auf dem Weltmarkt sind unsicher – Flexibilität ist das Gebot der Stunde. Doch um flexibel reagieren zu können, sind hohe Cash-Bestände unabdingbar. Dass Unternehmen und deren Lieferanten gleichzeitig versuchen, ihr Working Capital zu optimieren, schafft Widersprüche. Die Lösung: Reverse Factoring.
Die deutsche Automobilindustrie war einst der gefeierte Star am Börsenhimmel und galt für viele andere Branchen als Vorbild. Ihre Ingenieurskunst brachte den großen Konzernen traumhafte Wachstumsraten, hohe Renditen und ermöglichte eine Expansion in immer neue Länder. Mit den Autobauern verdienten die Lieferanten, Expert:innen auf ihrem Gebiet und loyale Partner. Die Ideen der einen befeuerten die Aufträge der anderen und umgekehrt. Es war eine Zeit, in der man eine Krise der Industrie nicht für möglich hielt.
Nur wenige Jahre später liegen die Nerven bei den Verantwortlichen der Automobilkonzerne und ihren Zulieferern blank. Die Dieselkrise hat die Konzerne erschüttert, kurzfristige Umsatzrückgänge müssen abgefedert werden, der Handelskrieg dämpft das Exportgeschäft und für Innovationen wie die Elektromobilität sind Milliardeninvestitionen notwendig.
Das neue Mantra heißt Sparen, Prozesse auf Effizienz prüfen und die Liquidität steigern. Gerade in Branchen mit reifen Supply Chains und starken Abhängigkeiten zwischen Herstellern und Zulieferern geht dies nicht ohne eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Dies gilt derzeit für die Automobilindustrie besonders, ist aber in nahezu jeder Branche zu beobachten, von der Chemie- über die Konsumgüterindustrie bis hin zum Maschinenbau in Deutschland.
Letztlich geht es darum, hohe Geld- und niedrige Lagerbestände zu schaffen. Denn klug angelegt können die Gelder für Unternehmen arbeiten und so trotz der Niedrigzinsphase Renditen erzielen. Zudem braucht es die liquiden Reserven, um in günstigen Momenten einkaufen zu können, beispielsweise wenn die Preise für einen Rohstoff kurzfristig fallen. Das reduziert das Risiko und gestaltet den Einkauf wesentlich flexibler.
Auch die Lieferanten streben möglichst hohe Cash-Bestände an und versuchen ihr Working Capital zu optimieren. Seit der Finanzkrise ist es für kleine und mittlere Unternehmen allerdings zunehmend schwieriger geworden, Kredite zu einem für sie akzeptablen Zinssatz zu erhalten. Schuld sind die neuen Regularien für die Geldinstitute wie etwa Basel 3 oder bald auch Basel 4, die die Kapitalvergabe erheblich erschweren.