Peter Jeitschko, Solutions Sales Specialist für Künstliche Intelligenz bei Microsoft Österreich, spricht im Interview über Trends, die Zusammenarbeit zwischen Datenteams und Fachabteilung – und was all das mit Rauchen an Tankstellen zu tun hat.
Seit über 20 Jahren ist er in verschiedenen IT Consulting und Sales Positionen tätig. Er arbeitete bei Volvo Cars, IBM, Oracle und dem Datenspezialisten Datameer. Aktuell ist er Solutions Sales Specialist und KI-Experte bei Microsoft Österreich.
Herr Jeitschko, Big Data ist seit Jahren im Trend. Ist es mittlerweile mehr als nur ein Buzzword?
Es ist sicherlich mehr als ein Buzzword. Allerdings impliziert „Big“, dass es sich um große Datenvolumina handelt. Die meisten Unternehmen haben aber kein Volumenproblem, sondern ein Datenkomplexitätsproblem. Aus diesem Grund ist der Begriff „Big Data“ in den allermeisten Fällen irreführend.
Was bedeutet das konkret?
Firmen haben meist keine zentrale Datenhaltung sondern viele verschiedene Datenquellen in unterschiedlichen Formaten, aus denen es gilt, Mehrwert für Organisationen zu generieren. Das sind nicht zwangsweise riesige Datenmengen. Um diesen Datenschatz zu heben, sind Datenqualität, skalierbare Datenplattformen und benutzerfreundliche Analysewerkzeuge essenziell.
Das wird sich künftig kaum ändern?
Das ist richtig, denn es kommen immer neue Datenformate dazu. In vielen Fällen sind es Audio- oder Videofiles, die es gilt, mit strukturierten Informationen aus Datenbanken zu kombinieren. Zu den hauseigenen On-Premise Datenbanken kommen dann noch Cloudanwendungen hinzu. Dies erhöht wiederum die Komplexität der Datenintegration und Datenanalyse.
Könnten neue Technologien wie Machine Learning und Künstliche Intelligenz helfen?
Wir sehen klar, dass der Trend in diese Richtung geht. Die Konzepte hinter Machine Learning und KI sind ja nicht neu, sondern basieren auf Überlegungen, die teils aus den 1970er und 1980er Jahren stammen. Was sich verändert hat, sind die Rechnerleistung und der Preis für die Verarbeitung von Daten. Das ermöglicht heutzutage neue Chancen: So kann man mittels KI und den richtigen analytischen Werkzeugen Maschinengeräusche analysieren und frühzeitig erkennen, wann eine Maschine ausfällt. Diese Anwendungsfälle fallen in die Kategorie „Predictive Maintenance“. Andere Use Cases bei Bild- und Videoerkennung gehen in Richtung Sicherheit. Beispielsweise kann man mittels KI automatisiert erkennen, ob jemand an einer Tankstelle raucht oder ob jemand auf einer Baustelle entsprechende Sicherheitskleidung trägt, um ggf. Alarm auszulösen. Künftig werden wir immer mehr solcher Anwendungsfälle sehen.
Welchen Organisationen fällt es besonders schwer mit komplexen Daten umzugehen?
Ich durfte Projekte bei börsennotierten Konzernen wie auch kleinen Mittelständlern und Startups begleiten. Bei Datenprojekten spielt die Größe einer Organisation eine untergeordnete Rolle bei der Bewältigung von Datenkomplexität. Es gibt aber kulturelle Unterschiede beim Umgang mit Daten. In angloamerikanischen Gebieten findet ein anderer Umgang mit Daten statt als beispielsweise in Österreich, Deutschland oder der Schweiz. Der berechtigte Wunsch nach Datenschutz wird gerne als Ausrede verwendet, um Datenprojekte erst gar nicht anzugehen. Besonders jene Organisationen, die teilweise Jahrzehnte in den Aufbau ihrer IT Infrastruktur investiert haben, leiden heute unter „digitalen Altlasten“. Im Banken- und Versicherungssektor beispielsweise findet man nicht selten Systeme vor, die vor 40 Jahren eingeführt wurden. Es muss aber klar sein: Die Aufgaben von heute lassen sich nicht mit den Methoden und der Infrastruktur von 1970 lösen. Andere Branchen wie Retail, Telekom und Logistik haben dies bereits erkannt und nehmen hier eine Vorreiterrolle ein.
Wie lassen sich Probleme mit solchen Altlasten lösen?
Wichtig ist, dass Organisationen eine Digitalisierungsstrategie haben. Davon abgeleitet auch eine Datenstrategie. Diese Strategie muss vom Topmanagement getragen und getrieben werden und beispielsweise von einem „Center of Excellence“ konsequent umgesetzt werden. Das bedeutet auch: Ich muss Altbekanntes über Bord werfen und setze IT Strukturen womöglich völlig neu auf. Das ist aus Risikogesichtspunkten aber nicht in jedem Fall möglich und so ist es wichtig, dass sich neue Technologien im Cloud Bereich in die bestehende IT Infrastruktur möglichst gut integrieren und einander ergänzen. Diese Hybrid Cloud Anwendungsszenarien werden uns noch lange Zeit begleiten.
Was raten Sie Organisationen, wenn Sie Datenprojekte angehen?
Es bringt nichts, aufwendig eine Dateninfrastruktur aufzubauen, wenn sie am Ende das jeweilige Problem nicht löst. Es braucht also zuerst eine konkret definierte Problem- oder Fragestellung, dann eine Lösungsidee und erst danach die einzelnen technischen Komponenten, um den jeweiligen Anwendungsfall sinnstiftend lösen zu können.
Woran scheitern heute noch die meisten Datenprojekte?
Datenprojekte scheitern aus zwei wesentlichen Gründen: Der Erste ist das entsprechende Skillset der eigenen Mitarbeiter:innen. Das Management muss verstehen, welche Möglichkeiten digitale Geschäftsmodelle bieten und Mitarbeiter:innen die Möglichkeit geben, sich gezielt weiterzubilden. Microsoft unterstützt Organisationen in diesem Bereich beispielsweise mit der „Enterprise Skills Initiative“ – einem individuell auf die Organisationsbedürfnisse zugeschnittenen Aus- und Weiterbildungsprogramm.
Und der zweite Grund?
Der zweite Grund ist eine fehlende Digitalisierungsstrategie oder eine, die nur auf dem Papier existiert und im Unternehmen nicht gelebt wird. Es ist essenziell, dass die Mitarbeiter:innen einer Organisation bei der Umsetzung der Strategie eng eingebunden werden. Wichtig dabei ist zu bedenken, dass Digitalisierungs- und Datenprojekte keine reinen IT Projekte sind. Die jeweiligen Fachexpert:innen aus den Business Abteilungen müssen eng mit ihren IT Kolleg:innen und Spezialist:innen wie z. B. Data Scientists zusammenarbeiten. Anderenfalls sind Datenprojekte erfahrungsgemäß zum Scheitern verurteilt.
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