Einsparungen durch systematischen Rohstoffeinkauf
Am Anfang stand die Idee, dass sich jeder Kunde sein individuelles Produkt selbst aus einer Vielzahl unterschiedlicher Zutaten zusammenstellen und dieses über eine Online-Plattform bestellen kann. In den kommenden Jahren folgten weitere Produkte; der Lebensmittelhersteller expandierte über die deutschen Grenzen hinaus und es kamen neue Vertriebswege über große Handelsketten wie z.B. REWE und Edeka hinzu.
Herausforderungen
Die Einkaufsorganisation war stark operativ ausgerichtet und nachfragegetrieben. Es gab kein systematisiertes Bedarfsmanagement und keine Prognosen über zukünftige Bedarfe, stattdessen wurde nur nach dem aktuellen Produktionsbedarf zur Deckung von eher kurzen Zeitspannen eingekauft. Die Einkaufsprozesse waren nicht vollständig systematisiert und es gab keine Kostentransparenz.
Eine weitere Herausforderung ist das schwierige Marktumfeld und der Lieferantenmarkt für Agrarrohstoffe. Diese Rohstoffmärkte sind im Allgemeinen sehr volatil und die Entwicklung der Rohstoffpreise damit schwer vorauszusagen.
Externe Faktoren wie Ernteausfälle und Währungskrisen in den Förderländern können die Entwicklung der Marktpreise signifikant beeinflussen und zu Versorgungsengpässen führen.
Hinzu kommt, dass Bio-Zertifikate, Regionalität und höchste Qualität von Rohstoffen Teil der Unternehmensphilosophie sind und daher im Einkauf einen hohen Stellenwert haben. Dies verkleinert den in Frage kommenden Lieferantenmarkt enorm. Während die Nachfrage nach bio-zertifizierten Produkten derzeit sehr hoch ist, werden einige der vom Unternehmen benötigten Rohstoffe nur in begrenztem Umfang in Bio-Qualität angebaut. Dieses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage schwächt natürlich die Verhandlungsposition der Einkäufer:innen.
Zielsetzung
Durch die Anpassung der Einkaufsprozesse an Erntezeitpunkte und Preisentwicklungen auf den relevanten Rohstoffmärkten sollte der Einkauf optimiert und Einsparungen realisiert werden. Ziel war es, über den Abschluss von Jahreskontrakten zum optimalen Kaufzeitpunkt, den jeweils optimalen Preis pro Agrarrohstoff zu fixieren.
Die wichtigste Anforderung seitens des Kunden ist eine ständige Versorgungssicherheit für das gesamte Rohstoffportfolio, so dass die Produktion jederzeit auf sämtliche angebotene Zutaten in der
gewohnten Bio-Qualität zugreifen kann. Um in Zukunft die Versorgung mit Rohstoffen noch weiter zu sichern, sollte auch der Lieferantenpool um leistungsstarke Produzenten erweitert werden.
Für einige Hauptbedarfe wurde darüber hinaus eine Produktverbesserung angestrebt, z.B. Zucker und palmölfreie Crunchies.
Vorgehensweise
Am Anfang der Umsetzungsphase stand eine detaillierte Bedarfsanalyse. Für jeden Rohstoff wurde die Verbrauchsmenge aus dem Vorjahr mit den prognostizierten Verbräuchen für das laufende Jahr abgeglichen. Unter Berücksichtigung von Produktneuentwicklungen und -ausläufen konnten daraus Jahresplanmengen festgelegt werden, die später als Basis für die Jahresverträge dienten.
Zudem wurde über alle Rohstoffe ein Erntekalender erstellt, der die Informationen zu allen Rohstoffen konsolidierte. Dieser Erntekalender wurde mit den relevanten Rohstoff-Indizes abgeglichen und es wurden interne sowie externe Expert:innen befragt, um aus den konsolidierten Informationen den optimalen Kaufzeitpunkt pro Produkt zu definieren.
Anhand dieser Daten, und unter Berücksichtigung von Lagerbeständen und prognostizierten Verbräuchen, legten unsere Berater:innen gemeinsam mit den Einkäufer:innen unseres Kunden einen Ausschreibungskalender mit fünf gebündelten Marktabfragen fest.
Über eine umfangreiche Lieferantenrecherche mit anschließender Durchführung eines RFIs wurden Bio-Lieferanten für die kommenden Ausschreibungen vorqualifiziert. Unser Team hat hierüber eine Vielzahl von Lieferanten identifiziert, die noch keine Beziehung zu unserem Kunden hatten und dadurch den Pool an Bio-Lieferanten erheblich erweitert sowie neue Lieferantenmärkte im benachbarten Ausland erschlossen.
In der anschließenden Umsetzungsphase wurden die vereinbarten Ausschreibungen von uns durchgeführt, Bemusterungen und Qualitätsprüfungen vorgenommen sowie Preisverhandlungen geführt. Aufgrund der Schnelllebigkeit und Volatilität der Rohstoffmärkte sind hierbei vier Faktoren besonders wichtig:
- Frühzeitige Ausschreibung: Um den tatsächlich optimalen Kaufzeitpunkt nicht zu verpassen, ist es wichtig, die Ausschreibung schon einige Zeit vor dem identifizierten Zeitpunkt zu platzieren. Besonders gute Angebote können dann durch eine schnelle Bemusterung und Prüfung direkt angenommen werden. Rohstoffe, bei denen das erste Angebot weit über dem angenommenen Preis liegt, können unterdessen weiter beobachtet, der optimale Kaufzeitpunkt präziser bestimmt und dann zum besten Zeitpunkt nachverhandelt werden.
- Enge und schnelle Abstimmung mit dem Kunden: Aufgrund von tagesaktuellen Marktpreisen ist es wichtig, Entscheidungen über besonders gute Angebote schnell treffen zu können. Es ist daher unabdingbar, die Strukturen und Prozesse innerhalb des Projektteams so zu gestalten, dass Vergabeentscheidungen sehr kurzfristig möglich sind. In einigen Fällen muss diese Entscheidung vorbehaltlich einer positiven Bemusterung gefällt werden, da diese zu viel Zeit in Anspruch nähme.
- Stetiger Austausch mit vorqualifizierten Lieferanten: Bei einigen Rohstoffen ist aufgrund frühzeitiger Anfragen noch nicht abschließend klar, wie die neue Ernte tatsächlich ausfällt, so dass die Lieferanten zunächst ungünstigere Preise anbieten. In diesen Fällen ist ein ständiger Austausch mit den vorqualifizierten Lieferanten wichtig, um den optimalen Zeitpunkt für den Kauf zu erwischen. Den potenziellen Lieferanten wird von Beginn an offen kommuniziert, dass sie in einem starken Wettbewerb stehen und dass das Ziel der Ausschreibung ein Vertragsabschluss unter Einhaltung der qualitativen Kriterien zum bestmöglichen Preis sein soll.
- Flexibilität bei der Vergabe von Teilmengen: Bei einigen Rohstoffen muss der Einkauf den Prozess flexibel anpassen und zunächst Teilmengen abnehmen. Dies ist immer dann der Fall, wenn Bestangebote von Lieferanten vorliegen, die jedoch nur für eine bestimmte Menge, die kleiner als der Jahresbedarf ist, gelten. Um den guten Preis zu nutzen wird in diesen Fällen entschieden, diese Teilmengen abzunehmen und den Rest des Jahresbedarfs anderweitig zu vergeben. Des Weiteren können durch die Vergabe von Teilmengen auch temporäre, schlechte Angebotslagen für einzelne Rohstoffe überbrückt werden, und der nächste optimale Kaufzeitpunkt ausgenutzt werden.
Ergebnisse
Durch den Abschluss von Jahreskontrakten mit Festpreisen konnten nicht nur erhebliche Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich erreicht, sondern auch die Planungs- und Versorgungssicherheit erhöht werden.
Über den systematischen Ausschreibungs- und Bemusterungsprozess konnte der Pool geprüfter Lieferanten erweitert und teils sogar eine verbesserte Produktqualität erreicht werden, was den Einkauf zukünftig vereinfachen wird.
Zudem konnte die Beziehung zu bestehenden Partnern intensiviert, neue Partnerschaften geknüpft und damit eine optimierte Lieferantenstruktur erreicht werden.
Als Ergebnis der neuen Verträge konnten außerdem die Zahlungskonditionen vereinheitlicht werden. Insgesamt wurde im Rahmen des Projektes der Rohstoffeinkauf weiter professionalisiert und die Rolle des Einkaufs im Unternehmen gestärkt. Die erzielten Einsparungen trugen zu einer deutlichen Steigerung des Unternehmenswerts bei.
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